Wer ist dieser elegante Soldat mit den dunklen Augen, dem bronzebraunen Teint, den es im Herbst 1917 an Bord eines amerikanischen Truppendampfers nach Saint-Nazaire verschlägt – und den sie »sand nigger« schimpfen? Erst 1912 war er aus Tunis nach New York emigriert, der junge Daoud – aus Protest gegen die Repressalien des französischen Kolonialregimes und seinen Vater, den patriarchalischen Familientyrannen. Im boomenden Einwanderer-Stadtteil Little Syria träumt er mit seiner Elena von einer besseren Zukunft, einem Leben in Freiheit und Selbstbestimmung. Doch die Träume des jungen Migranten geraten ins Getriebe der Weltgeschichte.
Juni 1918: Während Darwood, wie er von seinen Kameraden genannt wird, zwischen Wach- und Fieberträumen auf seiner Pritsche im Lazarett nördlich Paris mit einer schweren Kriegsverletzung ringt, ziehen Bilder seiner Vergangenheit an ihm vorbei, tauchen Frauen und Städte aus dem Nebel seines Deliriums auf: Elena und Nora, die italienische Akrobatin aus Palermo, die seine erste große Liebe wird, seine Mutter Zoulikha, an die er rätselhafterweise keine Erinnerung hat, Mouldia, die schwarze Sklavin der Familie, die ihn aufgezogen hat.
In ihrem preisgekrönten Roman, der bis 1850 zurück- und tief ins subsaharische Afrika hineinreicht, greift Cécile Oumhani mit der ihr eigenen poetischen Empathie, in einer Sprache von eindringlicher Bildhaftigkeit, Themen auf, die heute erneut von großer Brisanz sind: der allgegenwärtige Rassismus, Menschenhandel und Emigration, Fragen der kulturellen Identität und der weiblichen Emanzipation.
Nur wenige Wochen vor dem Amtsantritt Donald Trumps als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika erschienen, erinnert Tunisian Yankee gerade zur rechten Zeit daran, dass es mitten in New York einmal ein äußerst vitales, pulsierendes orientalisches Viertel gab, dessen Bewohner nicht unerheblich zur kulturellen und intellektuellen Vielfalt der Stadt beitrugen.