Sabine Buchta und Peter Unfried mit "August dem Reisewagen"
Marokkanischer Kulturrausch in Rabat, Meknes und Fez
„Zwar hat der Mensch zwei Beine, aber gehen kann er nur einen Weg“. Uns führt dieser Weg immer wieder nach Afrika, woher auch der obengenannte Spruch stammt. Marokko ist für uns ein guter Einstieg, es ist eine Mischung aus Europa und Afrika. Es ist relativ einfach zu bereisen, hat eine gute Infrastruktur, ist reich an Kultur und besonderen Menschen. Es ist ein vielseitiges Land: von der windgepeitschten Atlantikküste zu den Ausläufern der Sahara, vom Hochgebirge zu den fruchtbaren Tiefebenen, von den ausgedehnten Wäldern zur Mittelmeerküste, von der Einsamkeit der Wüste in die quirligen Medinas der Königsstädte.
Bereits kurz nach dem Grenzübertritt merkt man, dass das Leben schon etwas entspannter und ruhiger abläuft, Zeit eine andere Bedeutung hat und die Menschen einen anderen Zugang zur Welt haben. Mit einem Lächeln, das uns viele Marokkaner ins Gesicht zaubern, indem sie uns mit ausgestrecktem Daumen zu verstehen geben, dass sie sich freuen, dass wir ihr Land besuchen, fahren wir Richtung Süden.
Einen regelrechten Kulturrausch bekommen wir in den Städten Rabat, Meknes und Fez. Letztgenannte ist die älteste Königsstadt, das arabische Herz des Landes, Kunst- und Kulturstadt. Als wir die Altstadt erreichen sind wir fasziniert. Durch die engen Gassen des Souks schlendern wir vorbei an bunten Geschäften, Kunsthandwerksläden, Naschereien und Touristenramsch, Färbereien, wunderschönen Moscheen und Palästen. Immer wieder müssen wir Eseln und Mulis Platz machen, die fast alle Waren in der Altstadt transportieren.
Marrakesch hingegen ist die Hauptstadt der Berber und mittlerweile auch Ziel unzähliger Touristen. Allein die Lage ist unschlagbar. Am Fuße des Hohen Atlas gelegen kann man im Winter über die Palmenhaine auf die schneebedeckten Gipfel schauen, sich dabei in einem alten Riad mit süßem Minzetee stärken und eine köstliche Tajine genießen. Oder sich in der labyrinthartigen Altstadt verlieren.
„Zwar hat der Mensch zwei Beine, aber gehen kann er nur einen Weg“.
Dem Zauber der Wüste erlegen
So sehr wir die Städte und den Kulturreichtum Marokkos auch lieben, so sehr sehnen wir uns auch nach dem Land, der Natur. Lange halten wir es in den urbanen Gebieten nicht aus, wir brauchen die Weite. Über den Hohen Atlas und die Straße der Kasbahs reisen wir ins Draa-Tal. In M’hamid ist der Asphalt zu Ende, die Oase liegt am Rande der Sahara. Wir tauschen unseren Oldtimer-Lkw gegen fünf Dromedare. Eine Woche wandern wir unter der Obhut von Mohammed, Lahsan und Ahmed durch die Wüste. Lassen uns mit frisch gebackenem Brot verwöhnen, trotzen dem Sandsturm, werden mit 1 ½ Tagen Regen in der Wüste beschenkt, lauschen dem Gesang unserer drei Gefährten, dem Brüllen der Kamele und schauen dem Rucola beim Wachsen zu.
Die Sterne sind unser Begleiter zum Taragalte-Festival. Ein Musikfest am Rande der Wüste, das unter dem Zeichen von Frieden, Freundschaft und Toleranz steht. Wir singen, tanzen und lachen zu Musik aus Marokko, Mauretanien, Algerien, Mali und Niger, stärken uns mit zuckersüßem Tee und strahlen vor Freude.
Auf einsamen Routen fahren wir nahe der algerischen Grenze, in zehn Tagen begegnet uns nur ein Fahrzeug. Die Sahara eröffnet uns ihr ganzes Repertoire: sonnige, heiße Tage und kalte, sternenklare Nächte; absolut windstille Zeiten und Sandstürme. Die Sterne sind zum Greifen nahe und in einer Nacht regnet es förmlich Sternschnuppen auf uns herab. Was soll man sich da bloß alles wünschen?
Ganz einfach: Wir wollen noch einmal in die Wüste, wir haben Sehnsucht nach Weite und dem scheinbaren Nichts, das aber dennoch so viel offenbart. Nach dem faszinierenden Farben- und Lichtspiel, den unendlichen Formen der Landschaft.
Sand, Wind und Sterne
Mit dem Grenzübertritt nach Mauretanien sind wir in Afrika gelandet. Die Behördengänge ziehen sich in die Länge, der Ablauf ist für uns undurchschaubar, die Büros sind spartanisch und heruntergekommen, Müll liegt überall, zu kaufen gibt es wenig und vor dem Zollamt müssen wir sogar fürs Parken zahlen!
Mauretanien begrüßt uns mit einem Sandsturm, der bis auf wenige Tage bis zu unserer Ausreise andauert. Für dieses Land muss man sich Zeit nehmen und vor allem abseits des Asphaltes reisen. Man muss rein in die Wüste, um den Zauber zu spüren und die Schönheit zu begreifen. Um die Einfachheit, die Leere schätzen zu lernen.
Entlang der Geleise der längsten und schwersten Eisenbahn der Welt fahren wir Richtung Osten. Die Piste ist teilweise gut zu befahren, teilweise sehr sandig und manchmal gar nicht vorhanden. Nach ein paar Tagen erblicken wir Ben Amira, den drittgrößten Monolithen der Welt. Dunkelgrau glänzend und größtenteils glatt wie die Haut eines Walfisches steht der 450 Meter hohe Berg inmitten der Wüste. Einige Kilometer entfernt befindet sich Ben Aisha, ein weiterer Monolith, den man ganz gut besteigen kann. Eine unglaublich schöne Gegend!
Wir besuchen die alten Oasenstädte Chinguetti und Ouadane, fahren durch weichsandige Wadis, befahren felsige Hochplateaus mit tief eingeschnittenen Tälern, kommen durch kleine Dörfer und Nomadensiedlungen. Fasziniert sind wir auch vom Guelb er Richat, einem Krater mit 40 Kilometer Durchmesser und den letzten Wüstenkrokodilen. In Matmata haben wir das Glück und beobachten gleich 18 Tiere an einem Tag. Faul liegen sie am Ufer oder schwimmen flink im trüben Wasser.
Zurück auf den Asphalt
Viele Kilometer legen wir auf Pisten zurück, auf den tiefsandigen braucht unser Reisewagen mehr als 50 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Die felsigen Passagen und Rüttelpisten fressen an Augusts Reifen und belasten das gesamte Fahrgestell. Peter kontrolliert und beschaut unseren Lkw regelmäßig, sein Gesichtsausdruck ist manchmal etwas angespannt, um nicht zu sagen unglücklich. Nach der letzten Inspektion offenbart er mir die ganze Wahrheit: Die Rostschäden am Chassis sind enorm, der Hilfsrahmen muss erneuert werden. Die Belastungen der Geländefahrten waren einfach zu groß.
Nun heißt es, auf der Asphaltstraße zu bleiben und die Heimreise anzutreten. Sehenswürdigkeiten gibt es in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott keine, außer die Märkte und die Menschen selbst. Für Peter gibt es allerdings noch ein Highlight: die Fahrzeuge. Bei manchen wundern selbst wir uns, dass sie immer noch fahren. Dagegen ist August ein Neuwagen. Wenn man wissen will, wie ein kaputtes, schrottreifes Fahrzeug wirklich aussieht, dann muss man nach Mauretanien reisen. Spiegel, Scheinwerfer, Scheiben, Kotflügel, Innenverkleidungen, Motorhauben, Türen, Reifen mit Profil, vier gebremste Räder – all das scheint in Mitteleuropa überbewertet zu werden!
450 Kilometer lang ist die Asphaltstraße zur marokkanischen Grenze, sie führt durch eine öde Landschaft. Ständiger Begleiter ist der Wind und somit auch der Sand. Der marokkanische Zöllner fragt uns, ob wir etwas zu verzollen hätten. Peter schüttelt den Kopf und meint, das sei schier unmöglich, denn in Mauretanien gäbe es nicht allzu viel zu kaufen. Der Beamte lacht laut auf und übersetzt seinem Kollegen. Ich komme mit einem anderen Zollbeamten ins Gespräch, seine Heimatstadt ist Casablanca. Gott sei Dank müsse er nur mehr ein paar Monate hier bleiben, dann könne er zurück nach Casa. Ansonsten würde er hier in Guerguerat verrückt werden, das sei Afrika hier!
Somit haben wir Afrika also schon wieder verlassen, sind im Urlaubsland Marokko gelandet. Doch wir kommen wieder. Denn die Wüste hat uns abermals verzaubert!
Mehr Infos auf www.augustderreisewagen.com