August 02, 2024

Die unbekannten SUP-Spots der oberen Adria

Sonne, Sand und Strand - das sind wohl die ersten Bilder, die jedem Italienurlauber in spe während der Urlaubsplanung schnell in den Sinn kommen. Es steht außer Frage, dass das Meer auch für Stehpaddler eine magische Anziehung ausübt, vor allem wenn es nur wenige Autostunden entfernt ist und auch kurzfristig für ein schönes Wochenende angesteuert werden kann.

 

Allerdings ist das SUPen an den oberitalienischen Sommerhotspots gar nicht so interessant, denn sind wir mal ehrlich - die Strände und das Meer sind im Prinzip überall gleich. Viel interessanter ist es daher, abseits ausgepaddelter Wasserpfade italienische Luft und italienisches Flair zu inhalieren. Die obere Adria bietet an den Küstenabschnitten Friauls und Veneziens wahre SUP-Leckerbissen, die jeden abenteuerhungrigen Paddler genauso munden wie ein sonnenverwöhnter Wein.

Grados Lagune

SUP Grado © Philipp Moser
Grado © Philipp Moser

 

Grado ist beinahe das ganze Jahr durchgehend in touristischer und vor allem deutschsprachiger Hand. Das ist nicht verwunderlich, war es doch schon zu Monarchiezeiten neben Triest einer der prominentesten Urlaubsorte der gehobenen Gesellschaft. Im Vergleich zu den wenigen Stränden offenbart die Lagune Grados ein schier endloses Revier voller Paddelmöglichkeiten.

Man startet beispielsweise an der Autobrücke zur Isola della Schiusa. Wenn man diese nicht nur umrunden möchte, paddelt man entlang der Bootsanlegestellen raus zur Friedhofsinsel Le Cove. Klingt makaber, ist es aber nicht, denn auf dem Weg dorthin kann man die wahrscheinlich buntesten Blumenbeete und Blumentröge Italiens bewundern. Kaum ein Kreisverkehr oder eine Brücke kommt ohne die stimmungserhellenden Pflanzen aus.

Von Le Cove kann man nach Norden zur Klosterinsel Barbana abzweigen, sollte dies aber zur Flut machen, denn bei Ebbe ist die Chance groß, mit der Finne im Lagunenboden festzustecken. Man hält sich daher streng an das mit Pfosten gekennzeichnete Fahrwasser, denn wenn die Boote und Touristenschiffe dort fahren können, ist es auch für SUPer tief genug.

Auch westlich von Grado hangelt man sich am Fahrwasser von Insel zu Insel entlang und genießt dabei mitunter einsame Strände, malerische Casoni (typische Holz- und Zuckerrohrhäuser, in denen Fischer und ihre Familien lebten) sowie ständig wechselnde Farben. Wer Zeit und Paddelpower hat, kann sogar zum schmalen Fiume Natissa bis ins archäologisch wertvolle Aquileia paddeln.

Lagune von Marano

SUP Marano © Philipp Moser
Marano © Philipp Moser

Zwischen Lignano im Süden sowie Marano Lagunare im Norden erstreckt sich die Lagune von Marano mit etwas mehr Tiefwassergarantie als Grados Lagune. Hier gibt es deutlich weniger große Inseln, dafür aber viel Weitläufigkeit. Ohne gekennzeichnete Schiffs- und Bootsrouten kommt die Lagune aber auch nicht aus. 

Wer beispielsweise vom Canale Tagilamento kommt, paddelt von Westen in die weite Lagune ein und folgt der Wasserstraße bis zum Hafen Lignanos, der etwa zwei Kilometer voraus liegt. Etwa doppelt so weit paddelt man hingegen, wenn es zum Naturschutzgebiet Foci dello Stella gehen soll. Dieses wurde 1996 ins Leben gerufen und umfasst das Mündungsdelta des Flusses Fiume Stella, ein wunderschöner Paddelfluss mit Ursprung bei Codroipo. 

Noch besser ist jedoch die Idee, direkt beim Fiume Stella zu starten und von dort aus das Naturschutzgebiet mit seinen Schilfflächen und verträumten Casoni zu umrunden. Der optimale Ein- und Ausstieg ist auch schnell ausgemacht: Bei der Fischerhütte Bilancia di Bepi, wo nicht nur geführte Kanutouren angeboten werden, sondern auch mehrmals täglich frisch gefangener Fisch und entspannte Stunden in der offenen Fischerhütte am Wasser verbracht werden können.

Auch aus Marano Lagunare kann man auslaufen und die umgebenden Inseln ansteuern, wobei viele dieser sogenannten Inseln eigentlich nur Salzwiesen sind. Ihre Kanäle ins Innere der Insel können durchaus mehrere Meter breit sein und sind am besten bei Flut mit dem SUP zu erkunden. Langweilig wird einem in der Lagune nie, und wenn doch, dann cruised man noch ein wenig durch den Hafen Maranos.

Isola della Cona

SUP Isola della Cona © Philipp Moser
Isola della Cona © Philipp Moser

Hat man Grados Lagune schon vollständig erkundet, bietet sich weiter östlich bei Monfalcone die verträumte Insel Cona an. Auf ihr befindet sich das Natur- und Vogelschutzgebiet Foce dell'Isonzo Isola della Cona, welches wir jedem wärmstens ans Herz legen. Es gibt verschiedene Wanderwege mit Aussichtspunkten, entlang derer man so ziemlich alles entdecken kann, was die obere Adria zu bieten hat - inklusive wilder Pferde.

Die sagenhafte Fauna und Flora werden Paddler auch vom Wasser aus erleben können, wenn sie beispielsweise im Bereich des Besucherzentrums am Isonzo einsteigen und sich zum Meer hin gemütlich treiben lassen. Ist man ganz unten an der Mündung angelangt, erlebt man bei gutem Wetter eine Fernsicht, die bis nach Triest und an die slowenische Riviera reicht. Im seichten Mündungsgebiet steigt man am besten ab, watet ein wenig im Wasser und genießt dieses unglaublich friedvolle Ambiente.

Danach geht es um die Landzunge nach links herum und durch die Bucht Monfalcones wieder zurück zur Zufahrtsstraße des Naturschutzgebietes. Bitte aufpassen, dass ihr nicht im Labyrinth der Salzwiesen oder im seichen Lagunenwasser stecken bleibt. Im dümmsten Fall hat man halt mehr Kilometer zurückgelegt, weil man wieder zurück ins tiefere Wasser paddeln muss. Im Osten ist es daher sinnvoll, die Insel eher großflächig zu umpaddeln. 

Als Belohnung wartet dann in der Osteria Bisiaca tolles italienisches Slow Food mitten im Niemandsland. 

Vallevechia

SUP Vallevecchia © Philipp Moser
Vallevecchia © Philipp Moser

Zwischen Bibione und Caorle bildet die Naturoase Vallevecchia den Stoff aus dem Outdoorträume gemacht werden. Am Meer paddelt man den fünf Kilometer langen Brussa-Strand entlang und gibt hoffentlich acht, dass man nicht auf einer Sandbank aufliegt. Außer es ist gewollt, weil man sich ins luftwarme Wasser legen möchte, um die Wellen und die Möwen zu beobachten. 

Interessanter ist jedoch die Rückseite der Oasi Vallevecchia di Brussa, denn die Kanäle führen durch endlos lange Schilfgürtel, und mit etwas Glück springen die Fische vor dem SUP quer aus und über das Wasser. Gelegentlich fährt ein motorisiertes Wasservehikel vorbei, aber die Italiener drosseln dann ganz schnell die Geschwindigkeit. Echte Gentlemen, diese gente di mare.

Wer dann sein Kalorienkonto ins Defizit gepaddelt hat, etwa weil er das gesamte Vallevecchia umrundet hat, der darf sich auf großartige italienische Küche im Ristorante Mazarack freuen - für mich jedes Mal eine der schönsten Kulinarikoffenbarungen der Region. Die Bootsanlegestellen vor dem Lokal machen es jedem Paddler schwer, hier vorbei zu fahren. Allerdings sollte man zur Sicherheit vorher einen Platz im Restaurant reservieren.

Cavallino Treporti

SUP Cavallino © Philipp Moser
Cavallino © Philipp Moser

Eine recht junge Gemeinde befindet sich zwischen Lido di Jesolo und Venedig. Cavallino Treporte wurde erst in den 1990er Jahren zur eigenständigen Gemeinde und wuchs fortan schnell zu einem beliebten Urlaubsziel heran. Im Gegensatz  zu den langen Stränden Jesolos, findet man hier aber mehr einheimische Urlauber und es ist weniger kommerziell als seine beiden Nachbargemeinden.

Wer abseits des Mainstreams paddeln möchte, legt sein Board auf das Wasser der Hinterlandkanäle, die - wie könnte es anders sein - in die venezianische Lagune führen. Ausgehend vom Örtchen Treporti gibt es mehrere Rundtouren zur Auswahl, die sich in ihrer Länge deutlich unterscheiden. Paddler, die sich einer besonderen Herausforderung stellen möchten, paddeln sowieso einmal um Cavallino-Treporti herum und gelangen dabei auch auf den gemütlich ins Meer mündenden Fluss Sile.

Dass man im Hinterland Cavallino-Treportis in einer wahren Naturoase gelandet ist, erkennt man an der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. Entlang der Routen findet man aber auch immer wieder kleine Lokale und ursprüngliche Unterkünfte in absoluter Abgeschiedenheit. Das Tolle an der Region sind aber auch die komplett neu ausgebauten Radwege, die es ermöglichen, so ziemlich jede SUP-Route vorab auf zwei Rädern zu inspizieren. Dabei wird man auch auf die weit über 100 Fernmeldetürme aus dem 19. Jahrhundert stoßen, welche teils leerstehen, teils bewohnt werden. Das nennt man wohl geschichtsträchtiges SUPen.

Die Flüsse

SUP Flüsse © Philipp Moser
Flüsse © Philipp Moser

Auch Flusswandern ist  am Meer unter hervorragenden Bedingungen angesagt. Die Flüsse, welche in die Adria einmünden, zeichnen sich durch beinahe still stehendes Zahmwasser und unterhaltsame Flusswindungen auf. Wer ein wenig stärker die Muskeln spielen lassen möchte, paddelt vom Meer aus flussaufwärts, wobei die Strömung meist sowieso schwer auszumachen ist.

Paddelt man beispielsweise drei Kilometer flussaufwärts, hat man schon eine tolle SUP-Runde für zwei Stunden in den Armen, denn man muss ja auch wieder zurück zum Ausgangspunkt paddeln. Es ist dabei egal ob man den Sile, den Piave, den Livenza, den Stella, den Isonzo oder den Tagliamento erkundet. Überall wird man seine Freude an den herrlichen Wasserfarben, dem teils regen Leben auf dem Wasser und der verzaubernden Natur finden, wobei jeder Fluss seinen eigenen Charakter hat.  Kleiner Tipp: Flussaufwärts eher am Ufer paddeln, denn dort ist die Fließgeschwindigkeit deutlich geringer als in der Mitte des Wasserweges.

Diese in der SUP-Community noch recht unbekannten Paddelspots haben den Vorteil, dass man nicht im Zick-Zack-Modus um Badegäste und andere Paddler navigieren muss. Schließlich ist man hier als unmotorisierter Sportler meist alleine auf dem Wasser und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Auf die Stille, die Natur und das sanfte Geräusch jedes perfekt gesetzten Paddelschlages. Che meraviglia!

Genauere Tourbeschreibungen und Infos findet ihr beispielsweise im Online SUP Atlas

Über Philipp:
Philipp ist wahrlich ein Zappel-Philipp, denn Bewegung prägt nicht nur seinen beruflichen Alltag als Trainer, sondern sie ist auch seine private Leidenschaft. Auch der Hang zum Schreiben war gefühlt immer da - waren es zu Schulzeiten eher Songtexte und Gedichte, so schreibt er heute Fachartikel, Reiseberichte und Bücher. Gerade das Reisen bietet ihm viele Möglichkeiten auf sportliche Weise Neues zu entdecken. Egal ob zu Fuß und auf den Bergen oder mit dem SUP auf Gewässern, der Reiz des Unbekannten und das Erleben kleiner wie auch großer Abenteuer spornt ihn immer wieder an, die Komfortzone zu verlassen und darüber zu berichten. Auf seinem Stand Up Paddle Blog findet ihr unzählige Inspirationen und Destinationen.

 

 

Text & Titelfoto © Philipp Moser