Der »Hirte« lebt jeden Sommer mit einer kleinen Jungrinderherde auf einer Hochalm im Dachsteingebirge. Zu den Besonderheiten seines sommerlichen Lebens-Refugiums zählt vor allem, dass die Alm zum elterlichen Bergbauernhof gehört und ihm von Kindheit an vertraut ist. Diese Alm ist sehr exponiert inmitten einer spröden Karstlandschaft – laut Waldtomus (anno 1760) »in gwändigen öden Gebürg« – gelegen, abgeschieden von markierten Wanderwegen, fern von Erschließung, nur zu Fuß erreichbar, mit einer äußerst bescheidenen Infrastruktur. Der »Fotograf« hat den Hirten einige almsommerliche Abschnitte lang mitbegleitet und dessen Almleben aus der Schwarzweiß-Perspektive porträtiert. Ein Experiment, das eine Zeitlang aus dem Alleinsein des Hirten eine Zweisamkeit machte.
»Sommerschnee« veranschaulicht auf authentische, klare und stille Weise, zeitlos und geheimnisvoll erscheinend, das Leben des Hirten, mit Blicken auf die unmittelbare Umgebung und die labyrinthartige Karstlandschaft, die Bergnatur, das Wetter und vielerlei Almsommer-Tätigkeiten und Begegnungen. »Sommerschnee« ist das Porträt eines Almlebens in der Art eines szenischen Almsommertagebuches, das Leser und Betrachter mit einer selten gewordenen, vom Tourismus noch unberührt gebliebenen älplerisch-nomadisch, archaisch anmutenden Lebenswelt begegnen lässt.
Über den Almsattel geht der Wind, heißt es in den Almliedern. Tatsächlich ist es aber nicht nur der Wind, der darübergeht, sondern alles und jedes geht und kommt über den Almsattel, über den Rücken, diese Schulter, diese Breitscharte zwischen Höckern und Kogeln – eine Brücke zwischen Tal und Alm.
Mit dem Betreten der Almlandschaft über diesen Almsattel durch die Menschen und durch die Nutztiere verändert sich in dem Refugium vorübergehend alles, einen Sommer lang. Glockenklänge, Rinderrufe, Menschenstimmen vermengen sich mit den Lauten des Wildes, der Vögel und des Windes.
Auch der Hirte geht und kommt stets über den Almsattel, viele Male während des Sommers, wenn er von Talmärschen zurückkehrt oder von der Quelle mit frischem Trinkwasser oder vom Viehnachschauen oder von der Almzaunkontrolle.