Juni 21, 2021

Dreitägige Wochenendwanderung vom Hohenzollernhaus in Tirol

Tirol versteht sich nicht zu Unrecht selbstbewusst als "Herz der Alpen". Hier ballt sich einfach eine ganze Menge zusammen, was die Herzen passionierter Wanderer und Bergsteiger höherschlagen lässt. So weist jede Destination, jede Gebirgsgruppe Tirols ihr ganz eigenes Gepräge auf. Heute stellen wir euch eine Wochenendtour aus dem Rother Wanderbuch "Wochenendtouren Tirol" von Mark Zahel vor. Vom Hohenzollernhaus auf den Wildnörderer, 3011m, Glockturm, 3353m und die Nauderer Hennesiglspitze, 3042m.

Wildnörderer, Glockturm und Co.

Dreitausender-Trilogie vom Hohenzollernhaus

 

Dieser Tourenvorschlag liegt uns besonders am Herzen, da er uns in einen versteckten Winkel der Zentralalpen entführt, der zum einen bislang wenig Erschließungsdruck zu erdulden hatte und zum anderen von den großen Touristenströmen ohnehin eher vernachlässigt wird. Es handelt sich um das Radurschltal, das vom Oberen Gericht (Oberinntal) aus zwischen Nauderer Bergen und Glockturmkamm in die Ötztaler Alpen hineingreift. Ziemlich weit hinten empfängt uns dort auf einer zirbenbestandenen Geländeschwelle das Hohenzollernhaus, ganz im Stile einer authentisch urigen Berghütte. Das ist schon eine Wohlfühloase für sich und eignet sich perfekt als unser Basislager!

Doch wir wollen ja noch deutlich höher hinaus. Im Umkreis gewahren wir einen dunkelfelsigen Kranz von Dreitausendern, unter denen eigentlich nur der Glockturm einen bekannteren Namen besitzt. Er stellt das Paradeziel vom Hohenzollernhaus dar, durchaus mit Elementen einer Hochtour, auch wenn sich das Eis langsam, aber sicher aus den Hochkaren zurückzieht. Steigeisen sollten daher ins Gepäck, sofern uns der Hüttenwirt dies nicht vorab als überflüssig erklärt.

Mit dem Glockturm ersteigen wir im Übrigen einen der absolut höchsten Berge unserer gesamten Auswahl und dürfen schon ein wenig stolz darauf sein. Nicht zu vergessen allerdings die beiden anderen Gipfelziele: Der kecke Wildnörderer empfiehlt sich gleich für den ersten Tag, da er unserem Basislager am nächsten liegt und bereits einen feinen Überblick gewährt. Die Nauderer Hennesiglspitze erhebt sich hingegen ganz hinten am Grenzkamm zu Südtirol und fordert angesichts des langwierigen Zustiegs ein wenig unsere Geduld heraus. Doch die veränderte Perspektive entschädigt allemal dafür! Fazit: Eine tolle Dreitausender-Trilogie für Entdeckungslustige, die weniger dem Renommee als dem Erlebniswert nacheifern.

Aufstieg ins Vordere Bergl, dem Kar am Wildnörderer

Richtung Glockturm bekommen wir es auch mit Gletschereis zu tun

Karte Ötztaler Alpen
Karte Ötztaler Alpen (zum Vergrößern bitte klicken)
  • Ausgangspunkt/Endpunkt: Parkplatz Wildmoos, ca. 1600 m, im Radurschltal. Zufahrt über eine Forststraße, die gleich hinter der Kajetansbrücke (3 km von Pfunds Richtung Reschenpass) abzweigt. Weiterfahrt taleinwärts zur Radurschlalm nicht gestattet. Mit Öffis umständlich, da man in Pfunds starten müsste (2 Std. monotoner Anmarsch zusätzlich).
  • Etappendaten:

►1. Tag: 1460 Hm↑, 950 Hm↓, 7.15 Std.

►2. Tag: 1300 Hm↑↓, 7.30 Std.

►3. Tag: 1000 Hm↑, 1510 Hm↓, 7.30 Std.

►Gesamt: 3760 Hm↑↓, 22.15 Std.

  • Anforderungen: Richtung Wildnörderer und Nauderer Hennesiglspitze markierte Routen in Hochweidengelände und Blockschutt, in den Gipfelbereichen jeweils abschüssiger und Trittsicherheit erforderlich. Diese beiden Berge sind mittelschwierig (T3). In Summe anspruchsvoller und mit Hochtourencharakter hingegen der Glockturm (je nach Bedingungen mindestens T4), jedenfalls ab dem Blockbereich vor dem Hüttekarferner, wo der gute Steig endet. Eistraverse ohne Spaltengefahr, aber meist Steigeisen nötig, am Gipfelaufbau wieder deutliche Spuren, kaum Kletterei. Drei voll ausgefüllte Bergtage; Höhenlage auch hinsichtlich des konditionellen Aspekts beachten.
  • Maximale Höhe: Glockturm, 3353 m.
  • Einkehr/Übernachtung: -3. Tag: Hohenzollernhaus, 2123 m, DAV, Anfang Juni bis Ende September, Tel. +43 664 5311915. Eventuell Radurschl­alm, 1815 m.
  • Karten:  freytag & berndt 1:50.000, WK 254 »Landeck – Reschenpass – Samnaungruppe – Paznaun«. AV-Karte 1:25.000, Blatt 30/4 »Nauderer Berge«.

Höhenprofil Glockturm

© Rother Bergverlag 

Wegbeschreibung

1. Tag: Zum Eingewöhnen auf den Wildnörderer, 3011m

Im Radurschltal geht es ab Parkplatz Wildmoos (1) zunächst eine ganze Weile flach auf dem Fahrweg einwärts. Später über die Brücke in die Nähe der Radurschl­alm (2), ca. 1800 m, wo man dem »Sommerweg« folgt. Durch lichten Wald recht bequem an der Talflanke aufwärts und bis auf den Geländeabsatz mit dem idyllisch zwischen Zirben gelegenen Hohenzollernhaus (3), 2123 m.

Nun über den Boden weiter und nach einer kleinen Steigung bei einer Gabelung rechts über den begleitenden Bachlauf hinweg in die Nähe einer ehemaligen Zollhütte. Bei der nächsten Verzweigung mit dem Hinweis »Wildnörderer« wiederum rechts und an den bewachsenen Hängen in Kehren höher. Unsere Route führt diagonal über eine Verebnung ins Vordere Bergle hinein. Man durchstreift das ausgedehnte Kar teils über Mattenböden, teils über Blockfelder bis in den hintersten Winkel und steigt dann zur wichtigen Scharte bei P. 2801 (4) an. Nun steiler Richtung Gipfelaufbau, wobei man vom Gratabsenker bald rechts in die schrofige bzw. blockdurchsetzte Südflanke abrückt und die letzten Meter zum Wildnörderer (5), 3011 m, schließlich von Osten über gebietstypischen Blockschutt bewältigt. Der Abstieg zur Hütte verläuft gleich.

2. Tag: Wir erreichen den höchsten Punkt: den Glockturm, 3353m

Vom Hohenzollernhaus (3) zunächst wiederum am Radurschlbach entlang, den wir aber nach 20 Minuten nicht überschreiten. Vielmehr steigen wir diesmal linker Hand in Kehren an der begrünten Hüttepleis empor. Vor einer blockigen Engstelle am Rand des Hüttekars – das sich geradezu wallartig aufbäumt – geht es mit zwei Spitzkehren und über ein schrofiges Band an einem Steilhang entlang. Die Karbucht weitet sich, der Steig bleibt teils als Plattenweg gut angelegt und führt im nördlichen Bereich sachte aufwärts. Wir passieren derweil eine Abzweigung zum Bruchkopf, der linker Hand aufragt (dorthin käme teils wegloses Gelände vor). Im Karhintergrund befinden wir uns unter dem Rotschragenjoch, das vom Hauptweg (Nr. 902) im Übergang zum Kaunertal überschritten wird, während wir uns nun gen Süden orientieren (6), ca. 2870 m.

Die Traverse eines groben Blockfeldes wird augenblicklich unwegsamer, wobei der Balanceakt in verkeilten Trümmern mitunter sogar etwas Händeunterstützung erfordert. Über gewöhnlichen Blockschutt erreichen wir eine Mulde im Vorfeld des Hüttekarferners und betreten nun das Gletschereis (ab dem Hochsommer oft blank). Die günstigste Linie verläuft mittig, zumal von den Seiten her Steinschlaggefahr besteht. Über drei steilere Passagen gelangen wir ins Riffljoch (7), 3146 m, und nehmen dort den Zugang von der Kaunertaler Gletscherstraße auf. Rechts haltend leiten jetzt deutliche und auch markierte Spuren an den Gipfelaufbau heran. Man verbleibt meist kaunertalseitig, tangiert aber auch die Grathöhe und bewältigt einzelne kleine Felshindernisse. Schließlich nochmals steiler im Zickzack bis zum Gipfel des Glockturms (8), 3353 m, und zur ganz großen Aussicht. Der Abstieg ist identisch.

Wunderbar ursprünglich präsentiert sich die Bergwelt zwischen Glockturmkamm und Nauderer Bergen

Dreitausender am Grenzkamm zu Südtirol: die Nauderer Hennesiglspitze

3. Tag: Zum Gipfelkreuz auf der Nauderer Hennesiglspitze, 3042m

Abermals geht es vom Hohenzollernhaus (3) auf der bekannten Route taleinwärts, dann rechts über die Brücke bei der alten Zollhütte und heute am unteren Weg durch die Talsohle weiter gen Süden. Erst um den Absatzkopf steigt der Weg deutlicher an, passiert den Abzweig einer weglosen Route zum Glockturmjoch und schwenkt westwärts ins wellige Hintere Bergle ein. Auf Schafmatten auch am Hinweis zur Radurschlscharte vorbei (9) und zu einer kleinen, entlegenen Jagdhütte. Inzwischen bewegen wir uns nur noch in kargen Blockschuttfluren, lassen das Seekarjoch rechts liegen und steigen mit einigen Bögen in der Nordflanke unseres Gipfels empor. Zuletzt von der linken Seite her auf den Grat und mit wenigen Schritten zum Kreuz auf der Nauderer Hennesiglspitze (10), 3042 m.

Nach einem schönen Wochenende geht's wieder zurück zum Parkplatz

Der Abstieg vollzieht sich am leichtesten auf der gleichen Route. Für absolut Trittsichere ist es interessant, am blockigen Ostgrat entlang die Radurschlscharte (11), 2870 m, anzusteuern, wobei zwei, drei Passagen etwas Kraxelei verlangen (Stellen I). Im Bereich der Scharte entweder noch an ein paar Hindernissen vorbei zur Markierung oder bereits bei erstbester Gelegenheit nordwärts hinab. Die unsolide Blockhalde erfordert umsichtiges Steigen, läuft dann aber – von gelegentlichen roten Punkten geleitet – auf einen harmlosen, kargen Boden aus. Beim Wegweiser (9) fädeln wir wieder in den Hinweg ein und wandern zurück Richtung Hohenzollernhaus (3) bzw. nach einer Rast vollends hinunter zum Wildmoos (1) im Radurschltal.

 

Titelfoto: © Mark Zahel