Juli 05, 2021

Verhalten bei Gewitter im Gebirge

Tennisballgroße Hagelkörner, mächtige Donner, die einem durch Mark und Bein gehen und ein Blitzlichtgewitter, das selbst jeden roten Teppich in Hollywood in den Schatten stellt. Sommerzeit ist Gewitterzeit, das wissen wir nicht erst seit diesem Jahr. Sommerzeit ist aber auch Bergzeit, daher ist das Wissen um das eigene Verhalten bei einem Gewitter im Gebirge nicht nur sinnvoll, sondern unter Umständen auch lebenswichtig. Was ihr nun bei Blitz und Donner am Berg machen sollt, erfährt ihr in diesem Artikel von Martin Moser.

Welches Gewitter ist im Anmarsch?

Zuallererst gilt es zwei Gewittertypen zu unterscheiden: das Front- und Wärmegewitter. Das Frontgewitter geht mit einer Kaltfront einher, tritt großflächig auf und es kann darauf ein Wettersturz folgen, zum Beispiel Schneefall und Minusgrade im Sommer. Frontgewitter treten unabhängig von Tages- und Jahreszeit auf und sind gut vorhersehbar.

Im Gegensatz dazu sind Wärmegewitter nur schwer vorherzusagen. Sie treten meist am Nachmittag oder Abend und lokal begrenzt auf. Vor allem in Schönwetterperioden, also im Sommer, häufen sich Wärmegewitter und bringen keine generelle Wetterverschlechterung mit sich. Wir kennen das aus eigener Erfahrung: Ein knackiger Regenguss, krachende Donner, nach zehn Minuten ist der Spuk vorbei und die Temperatur klettert wieder in die Höhe.

Da diese Gewitter lokal auftreten, können wir diese anhand der Wolkenbildung erkennen. Kleine Haufenwolken wachsen im Laufe des Tages zu größer werdenden Quellwolken. Türmen sich die Wolken auf und bilden sie sogar eine Wolke in Ambos-Form, sind das eindeutige Zeichen für ein anstehendes Wärmegewitter. Befindet ihr euch bei dieser Wolkenkonstellation an einem Grat oder Bergrücken, solltet ihr tunlichst Schutz suchen.

Am wilden Kaiser braut sich was zusammen © Martin Moser

 

Aufgetürmte Gewitterzelle in der Ferne © Martin Moser

Gewitter am Dachstein aus sicherer Entfernung am Gosausee betrachtet © Martin Moser

Gut planen, rechtzeitig erkennen

Gute Tourenplanung und die Beobachtung der Wolkenbildung sind gute Voraussetzungen, um das Risiko, am Berg in ein Gewitter zu kommen, zu verringern. Vor allem im Sommer ist ein früher Start in den Wandertag von Vorteil. Eine Faustregel besagt, dass zu Mittag bereits 2/3 der Strecke absolviert sein sollte, um Wärmegewitter am Nachmittag auszuweichen.

Direkt vor Beginn der Tour überprüft ihr nochmals den lokalen Wetterbericht. Verlasst euch aber nicht blind auf die Wettervorhersage, denn ein für Abend angesagtes Gewitter kann auch schon früher auftreten. Daher gilt es die Entwicklung der Wolken zu beobachten. Häufen sich die Quellwolken bereits in den Vormittagsstunden, könnt ihr mit einem Gewitter am frühen Nachmittag rechnen. Dementsprechend sind auch Touren mit früher Rückkehr oder Abbruchmöglichkeit bei Tagen mit Gewitterneigung zu wählen.

Rückt ein Gewitter näher, erkennt ihr dies an turmartig aufgebauten Wolken, auffrischendem Wind und teilweise sogar an einem Surren (elektrischer Ladung) in der Luft. Blitzt es in der Ferne, zählt die Sekunden vom Blitz bis zum Donner. Beträgt die Zeitdauer 10 Sekunden, ist das Gewitter etwa 3 Kilometer von euch entfernt. Spätestens jetzt ist es allerhöchste Eisenbahn, Schutz zu suchen. Wiederholt die Sekundenzählung bei den nächsten Blitzen, um festzustellen, ob die Gewitterfront anrückt oder wegzieht.

Vor einem Blitzeinschlag schützen

Den besten Schutz vor Gewitter im Gebirge findet ihr in Hütten und Häusern mit Blitzableitern, aber auch Autos, Biwakschachteln und Seilbahngondeln sind sichere Orte. Meidet exponierte Stellen wie Gipfel, Grate und Bergrücken, aber auch alleinstehende Erhebungen wie Masten und einzelne Bäume. Befindet ihr euch in drahtseilversicherten Passagen, verlässt diese umgehend. Auch bei Seen, Bächen und Wasserläufen solltet ihr euch nicht während einem Gewitter aufhalten. Einen guten Schutz vor Blitzeinschlag findet ihr in Mulden, Senken und wenig exponierten Geländeformen.

Seid ihr auf einer weiten, offenen Fläche, zum Beispiel auf einer Almwiese oder einer Ebene unterwegs, hockt ihr euch in Kauerstellung mit geschlossenen Beinen auf eine isolierende Unterlage, beispielsweise auf den Rucksack. Macht euch also klein, aber nicht auf den Boden legen. Seid ihr eine Wandergruppe, müsst ihr euch verteilen. Haltet mindestens drei bis fünf Meter Abstand zueinander.

Metallische Gegenstände, wie Wanderstöcke oder Pickel, solltet ihr von euch fernhalten. Und es muss gesagt werden: Ein Zelt bietet keinen Schutz vor einem Blitzeinschlag.

Habt ihr eine Felsnische oder Höhle entdeckt, sind diese Orte zwar nicht unbedingt die beste Wahl, aber besser als gar kein Schutz. Es ist auf entsprechenden Abstand zu den Felswänden zu achten. Idealerweise hockt ihr hier eine Körperlänge vom Eingang zur Nische oder Höhle entfernt und haltet ebenso eine Körperlänge zu Wänden und Decke Abstand. Direkt am Fuß von Felswänden findet ihr einen guten Schutz vor Blitzeinschlag, doch achtet hierbei auf Steinschlag und darauf, dass ihr euch nicht an die Wand anlehnt.

Ein Wald bietet im Vergleich zu einzeln stehenden Bäumen einen guten Schutz. Zweifelsohne kann auch hier ein Blitz einschlagen, die Wahrscheinlichkeit ist aber gering. Haltet wenn möglich einige Meter Abstand zu den Bäumen, meidet auch die Gegenwart von alten und morschen Bäumen. Diese können sich bei einem Gewittersturm relativ einfach ihrer Äste entledigen, ein weiterer Risikopunkt, den ihr verhindern wollt. Der bekannte Spruch “Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen” hat jedenfalls keine relevante Bedeutung für das Risiko eines Blitzeinschlages.

Gewitter im Böhmerwald © Martin Moser

Blick von der Olperer Hütte. Einige Haufenwolken sind bereits entstanden © Martin Moser

Wärmegewitter in der Buckligen Welt. Hier im Wald Schutz gesucht © Martin Moser

Der Blitz schlägt ein

Tritt der Fall ein, dass ihr vom Blitz getroffen oder von Erdströmen erwischt werdet, ist schnelle Hilfe angesagt. Der Stromschlag kann Herzrhythmus- und Atemstörungen bis zum Stillstand hervorrufen, auch Verbrennungen sind möglich. Sofort sind jeweilige Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten und Einsatzkräfte zu verständigen. Auch wenn ihr als Blitzopfer nicht unmittelbar etwas spürt, sucht umgehend ein Krankenhaus auf. Störungen des vegetativen Nervensystems können erst verzögert auftreten.

Checkliste - Gewitter im Gebirge

  • Wetterbericht überprüfen: Ist eine Kaltfront im Anmarsch? Gibt es eine generelle Gewitterneigung in der Region? Passt die Tour nach der jeweiligen Vorhersage an.
  • Unterwegs Wolkenbildungen beobachten: Häufen sich die Quellwolken am Vormittag, ist mit einem Gewitter am Nachmittag zu rechnen. Stellen sich die Wolken turmartig auf, steht ein Gewitter kurz bevor.
  • Schutz suchen: Exponierte Stellen verlassen und Schutz in Gebäuden oder wenig exponierte Stellen aufsuchen.
  • Sekunden zählen: Blitzt es bereits in der Ferne, zählt die Sekunden zum Donner. Zehn Sekunden sind ca. drei Kilometer, drei Sekunden also in etwa ein Kilometer. Dies immer wiederholen, um festzustellen, ob sich das Gewitterfront nähert oder entfernt.
  • Im Freien auf das Gewitter vorbereiten: Metallische Gegenstände entfernen, Gruppen aufteilen, Senken und Mulden suchen, genügend Abstand von Felswänden und Bäumen halten. Mit geschlossenen Beinen auf eine isolierende Unterlage (Rucksack) hocken.
  • Warten und Lotto spielen: Oft ist nach wenigen Minuten das Gewitter vorübergezogen. Nutze die Zeit und überlege dir sechs Gewinnzahlen für die nächste Lottoziehung. Die Wahrscheinlichkeit den Jackpot zu knacken, ist ähnlich wie vom Blitz getroffen zu werden. Zumindest bei Lotto 6 aus 45 in Österreich.

Gut und kurz erklären Peter Plattner und Walter Würtl vom Alpenverein das Verhalten bei Gewitter im Gebirge:

 

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