1. Skitourenparadies Kleinwalsertal
Karlstor und Güntlespitze – zwei einfache Überschreitungen
Leider gibt es die Möglichkeit, einen Berg mit Skiern zu überschreiten, viel zu selten. Dabei müssen es nicht immer die ganz großen Unternehmungen sein. Auch auf kleineren Touren ist eine Abfahrt auf der anderen Seite des Berges eine reizvolle Alternative. So eine Bergfahrt ist immer spannend und abwechslungsreich, denn in unbekanntes Gelände abzufahren hält immer Überraschungen bereit und meistens ist auch die Orientierung in der Abfahrt anspruchsvoller als auf demselben Weg über die Aufstiegsspur zurück. Mein Tipp also: Überschreitungen immer mitnehmen, wenn es sich anbietet, selbst wenn man auf solchen Touren manchmal nicht auf einen Gipfel kommt. Ganz hinten im Kleinwalsertal haben wir gleich zwei solcher Berge ausgesucht: beide durchaus anspruchsvoll, aber mit moderaten Höhenmetern im Aufstieg. Die Tour auf das Karlstor führt zwar nicht auf einen Gipfel, doch die Abfahrt über den Riesenhang ins Gemsteltal ist ein echter Knüller. So etwas findet man selten. Ein Geheimtipp ist die Güntlespitze bestimmt nicht, aber sie ist nicht umsonst so beliebt und als Überschreitung eine garantiert lohnende Skitour – immer wieder. Abgesehen davon gibt es vom kleinen Örtchen Baad im hintersten Winkel des Kleinwalsertals noch eine ganze Reihe alternativer Gipfelziele: Grünhorn, Gamsfuß oder auch der Große Widderstein. Wer Letzteren über dessen Südrinne ersteigen – und auch wieder abfahren will –, sollte allerdings genau wissen, was er sich vornimmt und vor allem bei welchen Bedingungen.
Güntlespitze 2092 m
850 Hm 3.00 Std.
Die Skitour auf die Güntlespitze ist beliebt, sie ist bekannt und häufig begangen. Dieser formschöne Berg hat mindestens zwei Aufstiegsvarianten und noch mehr Abfahrtsmöglichkeiten. Diese Varianten lassen sich gut zu einer Rundtour verbinden. Die Güntlespitze leuchtet als weiße Pyramide im hinteren Kleinwalsertal und lockt mit ihren steilen Hängen unter dem Gipfel die Skibergsteiger nach Baad. Wir wollen sie über die Nordost-Route besteigen und dann nach Südosten abfahren. Es geht auch andersherum, aber die weiten Hänge der Westroute sind in der Abfahrt meist lohnender als die hier beschriebene Aufstiegsroute. Letztlich ist das Geschmackssache, und wer will, kann auch auf der Aufstiegsroute wieder abfahren.
© Bertram Schneck
Aufstieg: Vom Parkplatz in Baad überquert man die Straße und geht nicht über die erste Brücke, sondern wendet sich sofort nach rechts und folgt der Langlaufloipe. Nach ca. 50 m überquert man eine zweite Brücke. Nach einigen Metern auf der anderen Bachseite nimmt man eine kurze Stufe und erreicht offene Wiesen, die man gegen Süden hin überquert, um bald an der linken Seite des Baches weiter aufzusteigen. Das Tal verengt sich zunehmend und sobald es gänzlich unwegsam wird, überquert man den Bach an geeigneter Stelle (auf der gegenüberliegenden Seite der Breitach sieht man einen steilen, offenen Hang). Hier wechselt man die Talseite und steigt den eben erwähnten Hang empor, bleibt aber leicht links und kommt zur Mittleren Spitalalpe, 1657 m. Im Talgrund des Derrenbachs – meist links davon – steigt man die Südhänge weiter aufwärts bis in den Kessel unterhalb der Oberen Spitalalpe. Jetzt quert man nach links steil hinauf, wendet sich wieder nach rechts, bis man den Grat zwischen Derrenjoch und Derrenalpe erreicht. Bald sieht man den Gipfel mit dem steilen Nordhang, den man in Spitzkehren ansteigt und etwa nach drei Vierteln nach links auf den Gipfelgrat verlässt. Nun geht es je nach Verhältnissen durchaus etwas ausgesetzt zum Gipfel der Güntlespitze.
Abfahrt: Entweder hält man sich an die Aufstiegsspur oder steigt für eine Rundtour vom Gipfel zunächst weiter südlich etwas ab. Sobald die Hänge etwas flacher – und sicherer – werden, geht es hinunter und dann die weiten Hänge, teils kurz querend und dann wieder in der Falllinie, hinab das Tal hinaus. Zuletzt überwindet man einige Runsen und schwingt durch die ersten lichten Bäume immer auf der rechten Talseite talauswärts, bis man schließlich wieder auf die Aufstiegsroute kommt.
Karlstor 2100 m
900 Hm 3.00 Std.
Der mächtige Felsklotz des Widdersteins prägt mit seinen düsteren Nordflanken das Gebiet um Baad und sieht auf den ersten Blick sehr felsig und nicht besonders einladend aus. Das Karlstor selbst ist kein Gipfel, sondern eine Scharte im Ausläufer des Großen Widdersteins hin zum Kleinen Widderstein und aus dem Tal nicht einzusehen. Das macht aber nichts, denn sowohl die Abfahrt nach Norden und vielleicht noch mehr diejenige nach Osten machen den fehlenden Gipfel mehr als wett. Die nordseitigen Hänge des Widdersteins sehen von Weitem wahrlich düster aus, bekommen sie doch fast den ganzen Winter keine Sonne ab. Der erfahrene Skibergsteiger weiß: Das ist oft Pulverschneegebiet. Der 800 m hohe und vor allem im oberen Teil sehr steile Osthang wiederum ist ein nicht enden wollender Firntraum für Skifahrer, aber nur dann, wenn man die richtige Uhrzeit erwischt. Die Sonne scheint hier mit Tagesanbruch herein, weicht alsbald den Schnee auf und macht ihn oft schon am Vormittag unfahrbar sumpfig – und entsprechend lawinös. Ist man aber zu früh dran, findet man einen steinharten, eisigen Riesenhang vor, auf dem eine Rutschpartie länger dauern kann, als einem lieb ist. In welcher Abfolge man also Aufstieg und Abfahrt wählt, wird stark von den Schneeverhältnissen, der Jahreszeit und der Uhrzeit abhängen. Weil aber der Osthang zu fantastisch ist, seien hier der Aufstieg über die Nordseite und die Ostabfahrt vorgestellt. Entscheiden kann dann oben am Karlstor jeder noch selbst, ob die Pulverabfahrt nach Norden oder eine Firnabfahrt nach Osten die bessere Alternative ist. Und manchmal gibt’s auch hier leider keines von beidem.
© Bertram Schneck
Aufstieg: Vom Parkplatz in Baad überquert man die Straße und die Brücke hinein ins Bergünttal. Auf Höhe der Inneren Widdersteinalpe zweigt man vom Fahrweg zur Bergünthütte nach links ab und steigt über die freien Wiesen immer weiter an in Richtung Südosten. Man folgt dem Bachlauf auf der rechten Seite immer steiler hinauf, bis man nach Norden in das große Kar unterhalb des Widdersteins einschwenkt. Dann geht es in Serpentinen hinauf und kurz unterhalb der Felsen nochmals nach links in die Scharte.
Abstieg: Wie Aufstieg oder besser vom Karlstor auf die Ostseite abfahren. Dazu von der Scharte erst sehr steil, mehr oder weniger geradeaus hinunter in eine wenig ausgeprägte Mulde. Dann, sich immer ganz leicht links haltend und beliebig den besten Schnee suchend, hinab bis zu den ersten Latschen. Erst hier fangen wir an, nach links hinunter in den Talboden zu queren. Im Gemsteltal bleiben wir immer auf der linken Bachseite, bis wir nach einer freien Wiese auf die Waldschneise des Sommerwegs treffen. Diesen rutschen wir dann mit brennenden Oberschenkeln mehr oder weniger entspannt hinaus bis nach Bödmen, um dann auf der Langlaufloipe im Schlittschuhschritt zurück nach Baad zu skaten – da kommt man wohl oder übel noch mal ins Schwitzen. Wer sich das ersparen will, kann die 2 km mit dem Bus zurück nach Baad fahren, die Haltestelle ist direkt an der Straße.
Übernachtungstipp:
Naturhotel Lärchenhof
Eines unserer Lieblingshotels im Kleinwalsertal ist das Naturhotel Lärchenhof, ein kleines familiäres Hotel in Mittelberg in der Nähe der Kirche. Von den Zimmern hat man einen schönen, freien Blick ins Tal hinein, denn man befindet sich direkt am Rand der Skipiste. Sowohl beim Frühstücksbuffet als auch für das Abendessen werden vorwiegend Produkte aus der näheren Umgebung und aus dem Walsertal verwendet, die zudem großteils aus biologischem Anbau sind. Das schmeckt man, und man schmeckt auch, mit welcher Leidenschaft die Küche ihr Handwerk betreibt. Nicht umsonst trifft man im Lärchenhof viele Stammgäste, die immer wieder kommen und die naturverbundene Atmosphäre zu schätzen wissen. Ein weiteres Highlight ist der neue Saunabereich des Hauses. Keine Wellness-Oase im Stil rosa getünchter römischer Thermen, sondern auch hier: heimisches Holz, Schiefer, Steine. Und man ist nicht fensterlos in den Keller eingesperrt, sondern hat durch große Panoramafenster einen freien Blick in die Berge. Nicht günstig, aber sehr gut!
2. Mieminger Plateau
Auf die Wankspitze und in die Grünsteinscharte
Die Grünstein-Umfahrung von Biberwier über das Hölltörl und die Grünsteinscharte hinüber ins Ehrwalder Skigebiet und zurück nach Biberwier kennt man allenthalben. Doch auch von Süden aus, vom Mieminger Plateau, kann man den landschaftlich attraktivsten Teil dieser Tour erreichen und schnappt sich dazu die beiden schönsten Abfahrten – und Aufstiege – dieser Runde, die Grünsteinscharte und das Hölltörl. Dabei kann man die beiden Scharten aneinanderhängen oder, wem das zu viel ist, auch nur eine von beiden auswählen. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch die Wankspitze. Ein recht gutmütiger Skiberg, aus mehreren Gründen: Der untere Teil ist oft auch bei wenig Schnee machbar, auf der Standardroute ist die Lawinengefahr eher gering, man hat viele Abfahrtsvarianten von einfach bis sehr steil und es gibt auf halber Höhe eine Hütte. Dazu ist die Wankspitze ein erstklassiger Aussichtsberg. Beide Touren sind zudem vorwiegend südseitig ausgerichtet, wofür man gerade im Hochwinter durchaus dankbar ist. Warum also nicht gleich das ganze Wochenende bleiben und auf dem Mieminger Plateau direkt am Fuß der Wankspitze noch eine Nacht verbringen?
Wankspitze 2209 m
1060 Hm 3.00 Std.
Die Wankspitze ist bei der üblichen und hier beschriebenen Wahl des Aufstiegs eine Skitour, die auch bei weniger guten Verhältnissen – also angespannter Lawinensituation – noch machbar ist. Dann ist allerdings die Direktabfahrt vom Gipfel absolut tabu. Dennoch ist die Wankspitze keine Ausweichtour, die man nur bei schlechten Verhältnissen macht, denn sie ist in jedem Fall lohnend. Ganz besonders hervorheben muss man den wunderbaren Blick hinunter ins Inntal und auf das Mieminger Plateau auf der einen Seite. Und vom Gipfel sieht man hinein in die felsumrahmten Kare des Hölltörl und der Grünsteinscharte.
© Bertram Schneck
Abfahrt: Auf der Aufstiegsroute oder bei guten Verhältnissen direkt vom Gipfel geht es den Südhang schnurstracks hinunter. Wer gut auf den Skiern steht, es steiler mag und zudem gute Verhältnisse vorfindet, der kann auch kurz unterhalb des Gipfels in eine nordwestseitige Rinne einfahren, die anfangs felsdurchsetzt ist, dann aber immer flacher im Talboden unterhalb von Grünsteinscharte und Hölltörl ausläuft. Von dort quert man nach Süden zurück zum Lehnberghaus hinaus (siehe auch den Aufstieg zur Grünsteinscharte) und gelangt zurück zum Ausgangspunkt.
Grünsteinscharte, 2272 m
1120 Hm 4.00 Std.
Die Grünsteinscharte ist zwar keine Gipfeltour, zählt aber dennoch zu den schönsten Unternehmungen in den Mieminger Bergen. Die Vorteile liegen hier klar auf der Hand: die Abfahrtsfreuden und die alpine Landschaft. Der oberste Teil des Aufstiegs erinnert dabei durchaus an typische Dolomitentouren und durch die rein südseitige Ausrichtung ist bereits sehr früh im Winter mit Firn zu rechnen. Diese Tour lässt sich auch sehr gut mit einem Aufstieg in das Hölltörl oder sogar auf das Stöttltörl kombinieren.
© Bertram Schneck
Abfahrt: Wie Aufstieg.
Alternative: Simmering, 2096 m (1090 Hm, 3 Std.): Ausgangspunkt ist der Grünberglift in Finsterfiecht, über die Bundesstraße bis Obsteig, kurz vor dem Ortsende nach links abbiegen (beschildert).
Übernachtungs- und Einkehrtipps:
Gasthaus Arzkasten
Direkt am Ausgangspunkt beider Routen liegt das wunderschöne Gasthaus Arzkasten, an dem man nach der Abfahrt unbedingt einkehren muss, bevor man ins Auto steigt. Ein Stück Kuchen oder eine kleine Brotzeit in der gemütlichen alten Stube gehören einfach dazu. Meine persönlichen Schmankerl sind die Steinpilzpolenta mit Vorarlberger Bauernkäse überbacken und die Knödel. Leider kann man hier nicht übernachten, aber dafür umso besser schlemmen.
Kontakt: Arzkasten 136, A-6416 Obsteig, Tel. +43 5264 8121, www.arzkasten.at
Diese und viele weitere Touren findet ihr im Buch Rother 22 perfekte Skitouren-Wochenenden - vom Engadin bis zum Dachstein.
Titelbild: © Bertram Schneck
© 22 perfekte Skitouren-Wochenenden - vom Engadin bis zum Dachstein