Oktober 04, 2022

Fortgeblasen 2 - Ein Segelabenteuer rund um die Färöerinseln

Schon seit 1995 sind Claudia und Jürgen als Segler und Abenteurer unterwegs und entdecken die Welt zu Land und zu Wasser. Über ihre aktuelle Reise von der Ostsee nach Scoresby Sund, Ostgrönland und zurück haben sie uns jetzt kleine Einblicke gewährt - dieses Mal geht es von den Shetlandinseln zu den Färöerinseln.

Bewegte See in Richtung Färöer

Böswillig stellt sich die See auf, noch bevor wir offenes Wasser erreichen. Hier, am Ausgang des Yellsund auf den Shetlandinseln arbeitet ein kraftvoller Gezeitenstrom gegen die Dünung des Nordatlantiks und sorgt für konfusen Seegang.

Doch können wir nicht darauf warten, bis sich Strömung und See beruhigen. Wir müssen die wenigen Tage Schönwetter nützen, wollen wir unser nächstes Ziel – die Färöer Inseln im Nordatlantik - sicher erreichen.

Meterhoch, steil und kraftvoll schlagen die Wellen auf unser kleines rotes Segelboot ein. Heben uns, um uns sogleich ins nächste Wellental zu werfen. La Belle Epoque torkelt, schlingert, springt und bockt.

Konzentriert sitze ich am Steuer um das Boot gut durch die hochschlagende See zu bringen. Und, um meinen Mageninhalt nicht der See übergeben zu müssen. Jürgen will bald nichts mehr von diesen Wellen wissen – und verzieht sich in die Koje.

Dann lassen wir die letzten Felsen hinter uns, erreichen den offenen Atlantik und mit ihr den „normalen“ Seegang. Immer noch um die 3 Meter hoch, immer noch eine Kreuzsee mit einer langen Dünung aus Süd, überlagert von einer hohen Restsee aus Nordwest und dazu einer unerklärlichen See aus Ost. Und das, obwohl die letzte Woche stürmischer Nordwest stand und die Shetland Inseln hinter uns jegliche Dünung aus dem Osten abhalten sollten.

faeroer-inseln-sonnenaufgang © fortgeblasen.at   © fortgeblasen.at

 

Die Färöer Inseln im Blick

Nach zwei Tagen auf See entdecke ich um elf Uhr abends die schroffen Felsen der Færø Inseln. Doch sollte ich sie schnell wieder aus den Augen verlieren. Nach Sonnenuntergang gegen Mitternacht deckt das Meer die Welt mit dichtem Nebel zu. Nebel, der beinahe den Bug verschluckt. Der sich am Deck und den Scheiben fängt und nass von den Masten tropft.

Erst direkt vor der Küste hebt sich der Nebel, bleibt als graue Wand im Kielwasser stehen. Und lässt uns mit dem Gefühl zurück, durch ein magisches Tor in eine neue Welt geschlüpft zu sein. 

Die aufgehende Sonne färbt den klaren Himmel in dezentes Rosa, sattgrün leuchten die Weiden über den schwarzen Vulkanklippen. Die Lichter der Stadt verblassen im neuen Morgen und die auslaufenden Kutter bilden eine kleine Parade. Die Strömung schiebt uns unweigerlich bis zur Hafeneinfahrt und wir laufen langsam zwischen den großen Kuttern, den Kreuzfahrern und Fähren bis in den überfüllten Bootshafen.

Ankunft in Tórshavn

Tórshavn – der Hafen von Thor –, vielleicht die kleinste Hauptstadt der Welt.

Klein, fein und freundlich, aber vor allem eine Hauptstadt, welche zeigt, worum es auf den Færø Inseln wirklich geht: Um das Meer und um den Fisch. Es ist eine Hauptstadt der Kutter, der Schiffe und der Boote. Eine Hauptstadt der Seeleute. 
 
Mit Häfen zu beiden Seiten des Parlaments, einer großen Werft mitten im Stadtzentrum. Mit Hafenbecken, die ineinander übergreifen und große Hochseekutter, die quer über die Hafenbecken im Päckchen liegen. Mit Bootshäfen, die zum Bersten gefüllt sind, Fähranlegern, an denen niemals Ruhe einkehrt und Schlepper, die nie stillliegen.
 
Tórshavn scheint mir eine Stadt zu sein, die vielleicht sogar mehr Boote als Häuser aufweisen kann.
 
Wir bleiben einen Tag in der Hauptstadt, doch das unerwartete Sommerwetter zieht uns bald schon aus dem überfüllten Hafen. Wir wollen die Sunde zwischen den Inseln segeln, die schroffen Küsten der Färöer bestaunen und einige Dörfer besuchen.

                                                                                                                                                                                               

torshavn yachthafen © fortgeblasen.at
© fortgeblasen.at
 

Selten ist Strömung so angenehm wie in diesem Moment. Die Segel hängen an den Masten, die leichte Brise ist kaum noch zu spüren. Die Sonne spiegelt auf dem glatten Wasser. La Belle Epoque treibt wie von Geisterhand mit drei Knoten an den Inseln Hestur und Koltur vorüber. Wir haben die Gezeitenströmung richtig kalkuliert.

Träge genießen wir die Sonnenstrahlen, beobachten die Eissturmvögel und Papageientaucher, bewundern die einsamen Farmen in den tiefen, grünen Tälern entlang der Ufer.

Rauf auf die Motorräder in Vestmanna

Am Steg von Vestmanna erwachen wir aus der gemütlichen Trägheit und heben die Motorräder aus ihrer Buggarage. Morgen soll noch einmal die Sonne scheinen und solche Tage dürfen auf den Færø Inseln nicht ungenützt verstreichen!                                                                                                                                                     

Segeln nach Vestmanner © fortgeblasen.at
© fortgeblasen.at
 

Am folgenden Morgen packen wir uns erst einmal zusammen: Skiunterwäsche, Fleecepullover und warmes Innenfutter unter dem Endurodress, ein Rucksack mit Fotoausrüstung, Straßenkarten und Snacks, der zweite Rucksack mit extra Benzin und Zweitaktöl. Joker ziehen, ein Kick, gut, vielleicht ein zweiter. Ein letzter Blick auf die Karte und es geht los.

Nur ein kurzes Stück geht es über die neue Inselhauptstraße, wo immer möglich, biegen wir auf kleine Nebenstraßen ein. Fahren Umwege, landen absichtlich in Sackgassen und bestaunen die winzigen Siedlungen.

Auf der alten Verbindungsstraße geht es weiter. Als Ziel haben wir uns die alte Radarstation auf einem der höchsten Gipfel der Insel gesteckt.

Nach einem ersten steilen Anstieg biegen wir rechts ein. Vor uns windet sich wie erhofft eine traumhaft schlecht präparierte Schotterpiste entlang des Berghangs.

Kilometer für Kilometer klettern die Wandertrials über die Steine, überqueren seichte Wasserläufe und rutschen durch nasse Schlammlöcher. Hier und dort beobachten uns ein paar Schafe misstrauisch. Auf den Basaltklippen hoch über uns landen die Sturmvögel in noch so kleine Felsnieschen.

Dann erreichen wir das Ende der Piste. Tief unter uns öffnet sich ein einsames Tal, bevor die Felsen senkrecht in den Atlantik abfallen. Wir stellen die Motorräder ab und setzen uns auf einen Stein.

Einsame Ruhe fesselt uns in ihrer Weite. Der kalte Wind treibt weiße Wolkenfetzen über die Hänge. Zwei Austerntaucher zanken sich auf einem Felsen. Nur die Schafe bleiben unbeeindruckt.                                                                                                                                                                                                                   

© fortgeblasen.at
 
Zurück auf der Schotterpiste treffen wir auf eine Gruppe Wanderer. Auch sie sind unterwegs zu unserem traumhaften Aussichtspunkt.
 
Wir biegen zwischenzeitlich wieder auf die schmale Straße zur Radarstation am Gipfel des Berges ein. Oben bläst ein eisiger Wind, die letzten Meter bis zur militärischen Anlage sind für die Öffentlichkeit gesperrt, aber auch nicht wirklich interessant.
 

Naturschauspiel Nordatlantik

Am frühen Abend sind wir zurück beim Boot. Es ist Zeit, ein kleines Stück weiter zu ziehen. Wir segeln entlang der nordwestlichen Küste von Streymoy. 

Mit unbeschreiblicher Kraft nagt der Nordatlantik seit Anbeginn der Færøer Zeit an diesen Vulkanfelsen. Regelmäßig trifft hier die wütende Sturmsee auf jene Felsen, die es gewagt haben, sich aus dem Meer zu erheben. 
 
Übrig geblieben sind himmelhohe, senkrechte, Klippen. Dunkel leuchten sie im Sonnenlicht, fangen tiefliegende Wolken an ihren Hängen. Nistende Seevögel haben ihre weißen Spuren an ihnen hinterlassen. 
 
Sturmvögel, Papageientaucher, Tölpel, Lummen, Seetaucher, Eissturmvögel, arktische Raubmöwen, Seeschwalben, Möwen, Alke, Sturmtaucher. Um nur einige der über dreihundert Vogelarten dieser eigenwilligen Inseln zu nennen.
 

Wunderschöne Küstendörfer und Traumstraßen

In Ei∂i finden wir einen bequemen Platz am Schwimmsteg. Wir wandern über die Klippen, versuchen erfolglos, ein paar Höhlen tief unter uns zu erreichen.


© fortgeblasen.at

Der Wetterbericht zeigt: Wir müssen noch einen Tag warten, bevor wir zu unserer Segelreise nach Island aufbrechen können. Zeit genug, um die Motorräder noch einmal aus ihrer Koje zu hohlen.

Einspurige Serpentinen führen uns hoch über die Berge bis zu den bisher schönsten Küstendörfern. Schmale Traumstraßen, die eine Handvoll Motorradfahrern aus ganz Europa angelockt haben. Auch einige Campervans mit verschiedenen Kennzeichen kreuzen unseren Weg. Vermutlich sind sie per Fähre auf dem Weg nach Island und haben einen mehrtägigen Zwischenstopp auf dieser Inselgruppe eingelegt.
 
Warum auch nicht. Die Færø Inseln sind einfach zu befahren. Lange Unterseetunnel verbinden die einzelnen Inseln, die alten Dorfstraßen geben fahrenden Touristen eine unvergleichliche Abwechslung zu den neu ausgebauten Schnellstraßen.
 
Dörfer mit grasgedeckten Holzkirchen und winzigen Häfen, die bereits von den Wikingern verwendet wurden, wechseln sich mit weiten, unbewohnten Weideland ab. Eine Landschaft, die genauso eigentümlich wie ihre Sagen und Geschichten anmutet.
 
Geschichten über eine Robbenfrau, die sich in einen Menschen verliebt hatte und doch wieder zurück in ihr nasses Zuhause ziehen musste. Über Meermänner, die zum Spaß den Fischern den Köder von der Angel stahlen, von Trollen und Elfen, die in Steinen und Höhlen leben. Geschichten von Piratenschiffen, die von guten Hexen zu Stein verwandelt wurden, noch bevor sie Schaden anrichten konnten, und von einer Riesin und ihrem Gefährten, die die Inseln mit ihren schweren Trossen nachhause nach Island schleppen wollten, seither aber als Felsblöcke ihr Dasein vor der Küste fristen.
 

Zurück an Bord packen wir zum letzten Mal auf dieser Insel unsere Wandertrials zurück an Bord. Es wird Zeit, weiterzuziehen. Morgen, um sechs Uhr früh, werden wir erneut in See stechen. Nächstes Ziel: Island

 

Weitere Abenteuer von Claudia und Jürgen

Was das Abenteurerpaar auf den Shetlandinseln alles erlebt hat, könnt ihr in diesem Blogpost erfahren.

Auf ihrem Blog fortgeblasen.at berichten Claudia und Jürgen Kirchberger ausführlich über ihre Abenteuer auf Reisen und deren Erfahrungen in fremden Ländern. Außerdem könnt ihr hier deren aktuelle Position immer live verfolgen.

 

Über 25 Jahre sind die zwei schon unterwegs. Einige ihrer Abenteuer könnt ihr auch in ihren Büchern selbst erleben:

Wenn euch jetzt die Lust auf einen Färöer-Trip gepackt hat, stöbert doch mal in unserer Produktkategorie.

 

Titelfoto © fortgeblasen